2012 12 – Schüler wollen Griechenland auch künftig helfen

Quelle: Norderstedter Zeitung, 05.12.2012
Autor: Michael Schick

Dafür sprachen sich Schüler der Willy-Brandt-Schule aus. Sie diskutierten mit Politikern über Europa, Bürgerentscheide und Energiewende.

Norderstedt. Was habe ich als Schülerin von Europa? Für wie dringlich hält die Europäische Union die Umweltpolitik? Warum gibt es nicht mehr Volksentscheide auch auf europäischer Ebene? Wie steht es um die Transparenz im Europäischen Parlament? Die Schüler der Willy-Brandt-Schule beschäftigten die Politiker auf dem Podium 80 Minuten lang mit europakritischen Fragen. Die SPD-Europaabgeordnete Ulrike Rodust, der Segeberger SPD-Bundestagsabgeordnete Franz Thönnes sowie Ralf Stegner, Chef der Nord-SPD und Fraktionschef im Kieler Landtag, hatten zur Diskussion über Europa eingeladen.

Und da stand zunächst Griechenland im Fokus. Wie geht es weiter, ist ein Schuldenschnitt unverzichtbar, muss Griechenland in der EU bleiben, und was bedeutet das für Deutschland? „Wir werden daran noch zehn bis zwölf Jahre zu knabbern haben“, sagte Thönnes. Griechenland müsse im Staatenverbund bleiben, Deutschland profitiere von der EU, 60 Prozent des Exports gehe in EU-Länder. Wenn Griechenland die EU verlassen würde, müsse Deutschland 70 bis 80 Milliarden Euro an Krediten abschreiben, die Banken müssten höhere Zinsen verlangen, und das wiederum treffe den Handwerker vor Ort. „So bestimmt Europa das Leben auch im kleinsten Dorf bei uns mit“, sagte der Bundestagsabgeordnete, der sich als deutscher Europäer bezeichnete, der seine Heimat in Schleswig-Holstein hat.

„Für euch ist es normal, das in eurer Klasse Jungen und Mädchen mit Migrationshintergrund sitzen, dass ihr Sprachen lernt, überall hinreisen könnt, ohne eure Ausweise vorzeigen zu müssen“, sagte Ulrike Rodust. Das sei der Europäischen Union ebenso zu verdanken wie die Bildungsprogramme, die den Austausch von Schülern über die Grenzen hinweg förderten. Miteinander reden, andere Kulturen kennen – das seien Voraussetzungen für ein friedliches Miteinander, wie es noch nicht allzu lange selbstverständlich ist. Auch dafür stehe die EU. „Wenn man Europa konsequent denkt, muss das Europäische Parlament dann nicht mehr Entscheidungsgewalt bekommen?“, wollte Steven wissen. Schon jetzt würden 70 Prozent der Entscheidungen im Europäischen Parlament gefällt, antwortete Rodust: „Wir sind schon ganz schön mächtig geworden geben dem Ministerrat immer wieder Contra, und wir wollen noch stärker werden.“

Die Abgeordnete machte deutlich, wie heftig die Einschnitte für die Menschen in Griechenland seien: „Ich habe noch nie jemand im Ausschuss weinen sehen, doch angesichts des Hungers und der Not, die inzwischen in dem Land herrschen, haben meine griechischen Kollegen schon mehrfach Tränen vergossen.“

Einer habe ihr von der hochschwangeren Frau berichtet, die 17 Tage lang ihr totes Kind im Körper tragen musste. Sie habe nicht operiert werden können, weil es in dem Krankenhaus keinen Arzt mehr gegeben habe.

Maximilian, 18, forderte mehr Basisdemokratie und Bürgerentscheide auch auf europäischer Ebene. „Da muss man sehr genau abwägen. Wir haben Parlamente, die von den Bürgern gewählt werden und gute Arbeit leisten“, sagte Stegner. Plebiszite bergen die Gefahr undifferenzierter Beschlüsse, die Fragestellung beeinflusse die Antwort. „Wenn ich euch frage, ob wir Griechenland weiter helfen sollen, wird die Antwort wohl negativ ausfallen“, sagte der SPD-Landeschef, den Moderator und WiPo-Lehrer Jörg Schede aufforderte, die Probe zu machen. Stegner hatte sich getäuscht, die überwältigende Mehrheit der rund 70 Schüler aus den zehnten bis 13. Klassen sprach sich für weitere Griechenland-Hilfen aus.

Kosten für die Energiewende dürfen nicht an den Verbrauchern hängen bleiben

„Finanzstarke Gruppen können Bürgerentscheide für ihre Interessen vereinnahmen. Und die, die es wirklich betrifft, gehen dann gar nicht mehr zur Wahl“, sagte Stegner. Er sieht Bürgerentscheide als sinnvolle Ergänzung zur repräsentativen Demokratie.

Wünsche an die Politiker hieß es abschließend. Konstanze, 18, warb für einen schonenden Umgang mit unseren Lebensgrundlagen, ihre Mitschüler forderten einen branchenübergreifenden und flächendeckenden Mindestlohn, die Abschaffung von Studiengebühren und plädierten dafür, dass die Kosten für die Energiewende nicht bei den Verbrauchern hängen bleiben dürften und die Schere zwischen „Armen und Reichen“ geschlossen werden muss. Was nütze der Ausstieg aus der Atomenergie in Deutschland, wenn in Frankreich nach wie 60 Prozent der Energie aus Atomkraftwerken stamme.

170 Wunschzettel bekamen die Politiker noch mit auf den Weg. Und auch die waren zufrieden: „Wir haben gemerkt, dass wir es hier nicht mit Egoisten und Anti-Europäern zu tun haben“, sagte Stegner. Er und seine Mitstreiter dankten für Kritik und Anregungen. Und Ulrike Rodust, ganz europabeseelt, lud die Schüler ein, sie in Brüssel zu besuchen. „Spätestens, wenn ihr das Parlamentsgebäude betretet, fühlt ihr europäisch“, sagte sie.

Die Veranstaltung hatte eine kleine Anfrage der FDP im Kieler Landtag zur Folge. Hier geht es zur Dokumentation dieses Vorgangs im Landtagsinformationssystem..