Quelle: Norderstedter Zeitung, 15. Juli 2003
Absage: Kultusministerium und Leitung der Gesamtschule lassen Jungen vor der Schultür stehen.
Von Heike Linde-Lembke
Kevin (13) ist sehr traurig. Die Integrierte Gesamtschule Lütjenmoor (IGS) soll ihm verschlossen bleiben. Obwohl er bereits Schüler der IGS war. Und nur ein Jahr mit seiner Mutter in Niedersachsen wohnte. Seit Mitte Juni leben Stefanie (34) und Kevin Dürkop wieder in Norderstedt. Bereits am 27. Mai hat die Mutter ihren Sohn in der IGS angemeldet. Doch Schulleiter Lutz Körtner machte ihr klar: Kein Platz für Kevin. Denn der Junge hat ein Problem. Er leidet am Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom, kurz ADS. Kevin Dürkop ist ein Integrationskind. Und dafür sollen alle Plätze an der IGS besetzt sein. „Eltern haben mir aber gesagt, dass in der Klasse jetzt ein Platz frei geworden ist“, sagt Stefanie Dürkop. Das sei zwar kein Integrationsplatz, doch Kevin habe seine Verhaltensauffälligkeit im Griff. Außer auf Ausflügen und Klassenfahrten verzichtet sie auf den Integrationsstatus, für den eine zweite Betreuungsperson anwesend sein muss. „Der Schulleiter will ihn einfach nicht haben“, vermutet die Mutter verzweifelt.
Kurz vor den Sommerferien kam die Absage per Post
Auch das Kultusministerium in Kiel mauert. Die zuständige Referentin Anne Zeretzke sagte ihr klipp und klar: Die Klasse ist voll. „Beim zweiten Versuch, mit ihr zu sprechen, legte sie einfach den Hörer auf“, beklagt sich Dürkop und ergänzt bitter: „Ich habe auf den Beschulungsantrag wochenlang keine Antwort erhalten. Bis dann kurz vor den Sommerferien die Absage per Post kam.“
Auch der NZ wollte Zeretzke keine Auskunft geben und ließ über Patricia Zimnik (43) von der Pressestelle des Ministeriums mitteilen: „Die Schulaufsicht hat die Klassenstärke überprüft, und wir bestätigen den Schulleiter.“ Wenn das Kind die Integrationsmaßnahme nicht mehr nötig habe, müsse sich die Mutter an das Schulamt wenden. Dort würde man auch eine Schule für Kevin finden.
Doch um eine andere Schule hat sich die Mutter schon selbst bemüht: „Ich habe mit dem Leiter der Realschule Garstedt gesprochen. Die dortigen Integrationsmaßnahmen sind für Kevin nicht geeignet. Der Schulleiter meinte auch, er wäre auf der IGS am besten aufgehoben und riet mir stark von einer Querversetzung in die Hauptschule ab.“ Bei der Realschule Friedrichsgabe hätte sie bis zu Ferienbeginn niemand erreichen können.
Hilfe erhofft sich Stefanie Dürkop jetzt von Schulrat Sven Jürgensen vom Schulamt des Kreises: „Herr Jürgensen meinte ,Das darf ja wohl nicht wahr sein!‘ Er will sich nach seinem Urlaub für Kevin einsetzen.“
„Die Gesamtschule entspricht seinen Leistungen“
Für die kleine Familie würde die Beschulung durch die IGS viele Probleme lösen: „Kevin wäre wieder in einer vertrauten Umgebung, die Schule entspricht seinen Leistungen, er wäre bis 15.30 Uhr versorgt, und ich kann meinen Beruf in einem Steuerbüro ausüben.“ Wenn Kevin nur bis mittags Schule hätte, könne sie den Arbeitsplatz nicht annehmen: „Dann bleibt nur die Arbeitslosenhilfe. So wird man ins soziale Abseits gedrängt“, befürchtet sie zornig.
„Kevin ist völlig verstört, denn er hatte sich so sehr gefreut, wieder mit seinen Freunden, die er seit der Grundschule kennt, zusammen lernen zu können“, sorgt sich die Mutter um ihren Sohn und hat Angst, dass sein „Zappelphilipp“-Syndrom durch die schroffe Ablehnung wieder zunehmen könne. „Ich habe Herrn Körtner inständig gebeten. Aber der sagt einfach Nein“, sagt die Mutter mit Tränen in den Augen.